• 2. September: "Outsider Art aus Italien" in Münster

    Das Kunsthaus Kannen in Münster präsentiert 8 Künstler aus dem Atelier La Tinaia, das berühmteste Keramik- und Malatelier für Outsider Art in Norditalien. Seit 1959 befindet sich das Atelier im alten Teil des psychiatrischen Krankenhauses in Florenz. 70 Bilder stammen aus der Sammlung Susi Brunner, hinzu kommen 20 Bilder der sizilianischen Künstlerin Maria C. Cassarà aus der Rizomi Galerie.

    „La Tinaia“ ist das bekannteste Atelier für Außenseiterkünstler in Italien. Im toskanischen Sprachgebrauch ist „La Tinaia“ die Bezeichnung für ein Kellergebäude, in dem Fässer und andere landwirtschaftliche Geräte aufbewahrt werden. Das Atelier befindet sich im Gebäude, in dem früher ein Landschaftsunternehmen sich befand.
    Die Geschichte des Ateliers ist mit der alten Psychiatrischen Klinik „V. Chiarugi“ in Florenz verbunden. Schon seit 1959 bot diese Klinik in einigen Stationen Aktivitäten von expressiver Therapie durch Malen und Zeichnen an. Im Laufe der Zeit ist diese Richtung stärker und selbständiger geworden, als die Bewachungsstruktur in der Psychiatrie durch die Struktur der Rehabilitation abgelöst wurde. Seit 1975 gibt es in „La Tinaia“ nicht nur ein Mal-, sondern auch Keramikatelier, wobei ein breites Spektrum an rehabilitativen Möglichkeiten angeboten wird. Das Atelier ist nicht nur durch die hohe Qualität der dort entstandenen Werke, sondern auch durch seine entspannte und heimische Atmosphäre bekannt, die eine Kommunikation zwischen den Patienten und Mitarbeitern erleichtert.

    Die Werke aus „La Tinaia“ finden sich heute in den besten öffentlichen und privaten Sammlungen der Art Brut, wie z. B. La Collection de L´Art Brut, Lausanne (CH); La Fabuloserie, Dicy (FR); Musée d´Art Modern Lille, Villeneuve-d’Ascq (FR) ; IMMA Irish Museum of Moder Art, Dublin (IR) ; Art en Marge, Bruxelles (BE) ; Mad Musée, Liege(BE); Museum Charlotte Zander, Schloss Bönningheim (DE); Sammlung Susi Brunner, Zürich (CH).

    Susi Brunner ist in der Schweiz seit Jahren die wichtigste Kennerin und Ausstellerin von Art Brut, Naiven und Bauernmalern. Ihre Galerie spezialisiert sich auf Art Brut seit 1973. Susi Brunners Sammlung in Zürich umfasst Outsider Kunst aus Italien, Österreich, Frankreich, Schweiz und Amerika und gehört zu den bedeutendsten Sammlungen Art Brut in Europa. 70 Werke von „ La Tinaia“, die in der Ausstellung zu bewundern sind, bilden einen wichtigen Bestandteil der Sammlung.
    Die Bilder und Kataloge sind käuflich zu erwerben.

    Figura femminile con cestino e cortina azzura in alto – Maria Concetta Cassara

    Die Künstler

    Vittorio Carlesi (1930 – †1996) wurde in Florenz geboren. Seit 1982 besuchte er regelmäßig die Künstlerwerkstatt „La Tinaia“ und arbeitete dort bis zu seinem Tod. Victor experimentierte mit der Malerei auf Stoff mit Acryl und zeichnete mit dem Filzstift auf Papier. Seine Werke erinnern an die Idee des Puzzles, in denen sind Vergangenheit und die jüngsten Erinnerungen, Menschen und Dinge zusammen dargestellt.

    Margherita Cinque wurde 1942 in Florenz geboren. Im Alter 15 wurde hospitalisiert. Seit 1980 besucht sie regelmäßig „La Tinaia“. Margherita Cinque ist vielleicht die am besten wiederzuerkennende Künstlerin im Atelier. Ihre Werke sind am meisten mit Kreide oder Wachsmalstift auf Papier gemacht und stellen bekannte alltägliche Objekte, wie z. B. Blumen und Fruchte oder Autos und Häuser dar. Die sanften fließenden Linien rutschen und drehen sich, die Objekte sind unkompliziert und ruhig: man findet in den Bildern von Cinque nur wenige scharfe Ecken und Striche. Die Farben sind hell, aber nicht aggressiv.

    Giovanni Galli wurde 1954 in Florenz geboren. Seit 1993 lebt er in der Klinik und besucht die Künstlerwerkstatt „La Tinaia“. Für die Bilder von Giovanni Galli, besonders für seine weiblichen Darstellungen, ist eine übermäßige und karikaturistische Sinnlichkeit charakterisiert. Er pflegt seine weiblichen Figuren innerhalb großer Panoramen darzustellen, in denen Raketenwaffen, Reaktoren und Raumschiffe, fast immer in der Form eines Phallus, zu sehen sind. Anstatt seine Zeichnungen mit Ironie oder Lächerlichkeit zu kennzeichnen, positioniert er sie jenseits von unseren Verlegenheiten und ununterdrückbaren Unsicherheiten hinsichtlich des Themas über Körper und Geschlecht.

    Giordano Gelli wurde 1928 in Prato geboren. Wegen den traumatischen Kriegserlebnissen wurde er 1970 in einer psychiatrischen Klinik aufgenommen. Gelli besuchte „La Tinaia“ ab 1976 bis 1993. Lebt in Prato. Seine Werke sind sehr mächtig und bestimmt: wenige Farben und wenige Gesten; jene runden Zeichen, die auf fast sichtbar drehende Weise die Form eines Medaillons konstruieren. Die Farbe hallt er in den bestehenden und vibrierenden Grundierungen wie von Blechplatten wieder. Giordano Gelli malt nicht mehr.

    Umberto Gervasi wurde 1939 in Catania (Sizilien) geboren. Mit 28 Jahren ist er in die Lombardei gezogen, wo er heute noch lebt und arbeitet. Als er 50 war, fing er an Skulpturen zu machen. Im Sommer arbeitet er in seinem unbeheizten Atelier außerhalb von Milano, ansonsten arbeitet er künstlerisch täglich zu Hause.

    Nicola Giannini wurde 1958 in Florenz geboren. Jetzt lebt er in der Toskana. Der Künstler malt seit er 11 Jahre ist und zeichnet seit er 6 ist. Er arbeitet täglich mit einem mühevollen Kraftaufwand und versucht mit einer Gier die Farben der großen Meister und der Umwelt einzufangen. Nicola Giannini besucht sehr gern Ausstellungen und Künstler in ihren Ateliers. Die drei wichtige für ihm Problematiken: die Freude, der Schmerz und die Angst findet man in seinen Bilder. Seit 1998 verarbeitet er Material wie Gemüsekisten, Bretter, Plastik und interessante Fundstücke aus dem Wald zu dreidimensionalen Objekten.

    Massimo Modisti wurde 1953 in Florenz geboren und besuchte seit 1990 die Künstlerwerkstatt „La Tinaia“. Lebt in San Salvi. In den Bilder von Massimo Modisti trifft den Betrachter ein bekannten Motiv – der Kopffüßler. Solche Art der Darstellung, wenn die Beine und Arme direkt an den Kopf angehängt werden, ist für die Kinder typisch. Aber der Künstler lässt in Wirklichkeit nicht den Rumpf bei Seite, sondern kondensiert er Ihn in der globalen Form, die vom Kopf her abgetrennte Farbenentwicklung bildet.

    Giuseppina Pastore (1940 – †2000) wurde in Florenz geboren. Nach dem Abitur studierte sie Physik, Mathematik und politische Wissenschaften. Von 1970 an lebte sie in einer psychiatrischen Klinik in der Nähe von Florenz und arbeitete ab 1983 in „La Tinaia“. Die Werke von Giuseppina Pastore sind von Rahmen und Fächern, Schraffierungen und chromatischen Feldern strukturiert und enthalten die Symbole: Kreise, Herzen, Sterne. In ihren Gemälden findet man alles: Zahlen und Blut, Poesie und gesellschaftliche Anklage, Religion und Gotteslästerung.

    Marco Raugei (1958 – †2003) wurde in Florenz geboren. Brauchte schon seit der Kinderzeit psychiatrische Behandlung. Seit 1986 arbeitete er regelmäßig in der Künstlerwerkstatt „La Tinaia“. Die Zeichnungen von Marco Raugei sind aus kleinen alltäglichen Gegenständen zusammengefasst, die durch Wiederholung eine Art des Ordnungssystems der Realität bauen.

    Claudio Ulivieri wurde 1947 in San Gimignano geboren. Seit 1981 arbeitet er regelmäßig in der Künstlerwerkstatt „ La Tinaia“. Die Werke von Claudio Ulivieri sind raffiniert und elegant. Sie zeigen in der Art Brut häufig vertretender horror vacui – Phänomen, wenn die Oberfläche des Gemäldes als Herausforderung verstanden wird, komplett mit Zeichen und Farben bedeckt zu werden. Die Grundierung der bizarren Zeichnungen ist rhythmische Art und Weise benetzt und scheint sich wie ein Teppich, der t aus Sterne und Planeten, aus Strichen und Punkten besteht.

    Neben den Werken aus „La Tinaia“ werden im Rahmen der Ausstellung auch die farbreiche Bilder von Maria Concetta Cassarà aus der RIZOMI Galerie gezeigt. Die Künstlerin wurde 1932 in Mirto (Sizilien) geboren und lebt jetzt in Bologna in Norditalien. Als sie ihre Enkelin beim Malen beobachtete, begann sie selbst mit sechzig Jahren Kunst zu schaffen. Seitdem arbeitet sie mit Pinsel und Farbe regelmäßig mit einer großen Leidenschaft. Am meisten malt sie abends spät beim Fernsehen und lässt sich durch TV-Shows und Magazine inspirieren. Auf ihren Bildern sieht man menschliche Figuren in der Umgebung von Landschaften, Gebäuden, Tieren und Pflanzen. Maria Concetta Cassarà stellt Mirto dar, ihren Geburtsort, mit seinem religiösen Leben, den dort verehrten Heiligen und die geschmückte Altäre der Prozessionen.

    Weitere Infos

    Kunsthaus Kannen
    Museum für Art Brut und Outsider Art
    Alexianerweg 9, 48163 Münster
    Tel: 02501 966 20560
    www.kunsthaus-kannen.de

    Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und Feiertage 13 bis 17 Uhr, Eintritt frei
    Führungen: Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr nach Anmeldung

    Martin van Haaren

    Martin van Haaren wurde 2004 in Florenz wohl vom Stendhal-Syndrom befallen, jedenfalls blieb er dort gleich ein knappes Jahrzehnt. Noch im selben Jahr gründete er TIAMOITALIA. Heute lebt er mit seiner Familie in Hamburg.

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