Ein Krampus mit markanter Holzmaske und Hörnern während eines Umzugs in den italienischen Alpen. Foto: Alessio Zaccaria

Wenn Anfang Dezember in vielen italienischen Alpenorten Glocken dröhnen, Funken sprühen und pelzbekleidete Gestalten durch die Gassen marschieren, beginnt eine der eindrucksvollsten Wintertraditionen des Landes: der Krampus. Was vielerorts mit Österreich oder Bayern assoziiert wird, hat in Norditalien eine ebenso tief verwurzelte Geschichte.

Eine Figur aus alten Zeiten

Der Krampus gilt als Begleiter des heiligen Nikolaus und gehört zu jenen Gestalten, die aus einem Zusammenspiel vorchristlicher Mythen und christlicher Bräuche hervorgegangen sind. Die Website brauchtum.net beschreibt ihn als dämonisches Wesen mit Hörnern, Fell und einer oft prachtvoll geschnitzten Maske – eine Figur, die Bestrafung und Ermahnung symbolisiert und die Rolle des heiligen Nikolaus ergänzt.

Die Herkunft des Namens wird in der alpenländischen Sprachwelt verortet, wo Begriffe wie „Krampen“ oder „Krampn“ sinngemäß mit Kralle oder etwas Verwelktem verbunden werden. Diese Deutungen spiegeln den rauen Charakter der Gestalt wider.

Der Ursprung geht auf alte Sagenwelten zurück, in denen wilde, angsteinflößende Wintergestalten eine wichtige Rolle spielten. Diese Figuren verkörperten das Unheimliche der dunklen Jahreszeit und dienten zugleich als mahnende Wesen, die das soziale Verhalten innerhalb der Gemeinschaft ordnen sollten.

Mit der Christianisierung verschoben sich Bedeutung und Auftreten der Gestalt. Sie wurde in den Nikolausbrauch integriert und übernahm dort eine ergänzende Rolle: Während der heilige Nikolaus das Gute verkörperte, stand der Krampus für das Furchterregende und Strafende. Damit entstand ein bewusstes Spannungsverhältnis zwischen Milde und Strenge – ein Muster, das in vielen alpenländischen Winterbräuchen zu finden ist.

Norditalien: Eine Region im Bann des Krampus

Besonders sichtbar ist das Brauchtum in Südtirol und Teilen des Trentino. Dort prägen Krampusumzüge Anfang Dezember den regionalen Festkalender. In Südtirol, wo die Figur häufig „Tuifl“ genannt wird, ziehen ganze Gruppen von Teufelsgestalten durch die Ortschaften – begleitet von Maskenschnitzern, die für ihre aufwendige Arbeit in der Region bekannt sind.

Zu den bekanntesten Umzügen gehört der Lauf in Toblach, bei dem Hunderte Maskenträger auftreten und sich aus verschiedenen alpinen Regionen versammeln. Auch im Fassatal, etwa in Pozza di Fassa, haben sich eindrucksvolle Paraden etabliert, bei denen Teilnehmer aus mehreren norditalienischen Provinzen auftreten. In Partschins bei Meran wiederum wird der „Tuifl-Tog“ begangen, bei dem die Figuren lautstark durch den Ort stürmen und den Nikolausbrauch ankündigen.

Handwerk, Ordnung und Modernisierung

Ein prägendes Merkmal der italienischen Krampusläufe ist die hohe handwerkliche Qualität der Masken. Viele Holzschnitzer der Region pflegen Techniken, die über Generationen hinweg weitergegeben wurden. In jüngerer Zeit sind aber auch moderne Materialien und Interpretationen hinzugekommen, die von einzelnen Gruppen genutzt werden.

Die zunehmende Popularität der Umzüge hat auch zu strukturierten Abläufen geführt. In Südtirol werden Teilnehmer teilweise registriert, um Sicherheit und Überblick zu gewährleisten. Dadurch hat sich das Brauchtum von einer spontanen Tradition zu einem geordneten Spektakel entwickelt, das dennoch seinen ursprünglichen Charakter bewahren will.

Ein Blick über die Grenzen

Der Krampus ist kein rein italienisches Phänomen. Ähnliche Figuren treten in Österreich, Bayern, Slowenien, Kroatien und anderen Alpenländern auf, wobei regionale Besonderheiten und Namensvarianten entstehen. Die Grundidee – der Gegensatz zwischen dem gütigen Nikolaus und einer finsteren Begleitfigur – bleibt jedoch in vielen Regionen erhalten.

Viel Lärm – und viel Bedeutung

In Italien steht der Krampus für mehr als nur gruselige Unterhaltung. Er ist Ausdruck von Gemeinschaft, kultureller Identität und dem Winterbrauchtum der Alpenregion. Die Mischung aus archaischer Symbolik, handwerklichem Können und moderner Organisation macht ihn zu einer der faszinierendsten Wintergestalten Europas.