Foto: Martin van Haaren

Massimo Troisi wäre als Postbote Mario im Film „Il Postino – Der Postmann“ vermutlich froh gewesen, wenn er auf der steilen Rückfahrt von der Bucht am Pozzo Vecchio zum kleinen Postamt an der Marina Grande elektrische Unterstützung an seinem alten Drahtesel gehabt hätte. Mario musste in der Story dieses wunderschönen Films seine Briefe allerdings ohne eine solche Hilfe an den Poeten Pablo Neruda zustellen. Heute lässt sich die Filmkulisse, die kleine Insel Procida, wunderbar mit dem E-Bike erkunden.

Die Fähre gleitet sanft über das ruhige Wasser des Golfes von Neapel, während Procida am Horizont auftaucht – mit ihrer unregelmäßigen Silhouette und den sanften Farben der Häuser, die sich zum Hafen hin öffnen. Die Luft ist schwer von Salz und der Erwartung, als ob gleich etwas Neues beginnen würde.

Die engen Gassen und die hügelige Landschaft sind wie geschaffen für eine Erkundungstour mit dem E-Bike. Foto: Dieter Jaeschke

Nach dem Anlegen ist das Mieten eines E-Bikes für die heutigen Besuchenden fast unverzichtbar: Die engen Gassen, die unerwarteten Meerblicke und die hügelige Landschaft sind wie geschaffen für eine entspannte Erkundungstour. Man fährt vorbei an Gärten, verwitterten Mauern und mit Glyzinien überwucherten Wänden und durch stille Viertel – die Insel wirkt bis heute eher wie eine Filmkulisse, kaum wie die Realität im Jahr 2025.

Procida wurde zur Bühne für unvergessliche Filme: Il Postino machte 1994 versteckte Ecken der Insel dem sogleich verliebten Publikum bekannt, Der talentierte Mr. Ripley verlieh ihr 1999 eine mysteriös-geheimnisvolle Aura, und Francesca e Nunziata brachte 2002 ihre alte, mediterrane Seele zur Geltung. Beim Spaziergang durch die Gassen und Plätze wirkt jeder Ausblick vertraut und dennoch unergründlich.

Der Strand von Pozzo Vecchio mit seinem dunklen Sand und den glattgeschliffenen Kieselsteinen bewahrt eine tiefgründige Stille, nur vom sanften Rauschen der Wellen durchbrochen. Weiter vorn empfängt die Chiaiolella mit familiärer Atmosphäre und Booten, die wie Spielzeug auf dem Wasser treiben. Von Terra Murata aus bietet sich ein atemberaubender Blick: ein Panorama, das Neapel, Ischia und das ferne Profil des Vesuvs umfasst. Mit dem E-Bike ist man zügig dort, wo sonst teils anstrengende und gelegentliche steile Fußmärsche hinführen. Auch mit den in Italien so beliebten Motorrollern gelangt man auf Procida nicht überall hin, der Autoverkehr ist eh den Einheimischen vorbehalten.

Seit kurzem werden sogar Führungen auf dem Naturreservat Vivara veranstaltet.
Foto: Dieter Jaeschke

Seit ein paar Jahren endlich zugänglich ist das Naturreservat Vivara, eine kleine Insel, die mit einer Brücke mit Procida verbunden ist. In kleinen Gruppen werden Führungen veranstaltet, die Tickets sind vorab online zu buchen. Das kleine Naturreservat ist eine Welt für sich: kein Lärm, nur Vogelgesang und das Rascheln der Blätter im Wind. Die Führer begleiten die Besuchenden auf geschützten Pfaden und erzählen von der alten Geschichte dieser uralten Landzunge mit ihren mykenischen Überresten und einzigartigen Lebensräumen. Jeder Schritt ist hier eine Entdeckung, jedes Schweigen eine Erinnerung. Die Ausblicke von der Höhe auf den Golf von Neapel sind nun wirklich spektakulär.

Der Tag endet mit einer handgemachten Zitronengranita – ihr säuerlicher Geschmack ist belebend und erfrischend. Procida offenbart sich nicht sofort: Die Insel will erlebt werden. Sie ist einer jener Orte, die leise sprechen, aber direkt ins Herz treffen.

🎬 Gedreht auf Procida – Diese Filme brachten Kino-Flair auf die Insel

Der Postmann (1994)
Il postino – Regie: Michael Radford & Massimo Troisi
Mit: Massimo Troisi, Maria Grazia Cucinotta, Philippe Noiret
Ein poetischer Klassiker über Freundschaft und Poesie – teilweise auf Procida gedreht.
Der talentierte Mr. Ripley (1999)
Il talento di Mr. Ripley – Regie: Anthony Minghella
Mit: Matt Damon, Gwyneth Paltrow, Jude Law u. a.
Ein Psychothriller mit spektakulären Mittelmeer-Kulissen – Procida wurde zur fiktiven Stadt „Mongibello“.
Francesca und Nunziata (2002)
Francesca e Nunziata – Regie: Lina Wertmüller
Mit: Sophia Loren, Giancarlo Giannini
Ein Generationenporträt mit italienischer Starbesetzung – mit Szenen auf Procida.
Ehemänner zu vermieten (2004)
Mariti in affitto – Regie: Ilaria Borrelli
Mit: Maria Grazia Cucinotta, Pierfrancesco Favino, Brooke Shields
Witzig, schrill und mediterran – eine Satire über Geld, Liebe und soziale Rollen.
Das Feuer in mir (2006)
Fuoco su di me – Regie: Lamberto Lambertini
Mit: Omar Sharif, Massimiliano Varrese
Ein intensives Drama über Erinnerung und Identität – mit stillen Bildern von Procida.
Ein Bürger setzt sich zur Wehr (1972)
Detenuto in attesa di giudizio – Regie: Nanni Loy
Mit: Alberto Sordi
Eine bitterböse Justizsatire mit Tiefgang – auch auf Procida gedreht.
Die Kronzeugin (1971)
La supertestimone – Regie: Franco Giraldi
Mit: Monica Vitti, Ugo Tognazzi
Klassische Krimi-Komödie mit ikonischen 70er-Jahre-Vibes.
Sandra – Die Wölfin von Volterra (1966)
Vaghe stelle dell’Orsa – Regie: Luchino Visconti
Mit: Claudia Cardinale, Jean Sorel
Viscontis stilisiertes Familiendrama mit melancholischer Kraft – auch auf Procida gefilmt.
Cleopatra (1963)
Cleopatra – Regie: Joseph L. Mankiewicz
Mit: Elizabeth Taylor, Richard Burton
Hollywoods Monumentalfilm – einzelne Szenen entstanden auf Procida.

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Von Dieter Jaeschke

Dieter Jaeschke schreibt seit seinem 17. Lebensjahr u.a. für WAZ, Ruhr Nachrichten und die Süddeutsche Zeitung. Der studierte Italianist und Geschichtslehrer arbeitete viele Jahre im Ausland für ein deutsches Schulprogramm. 2014 erschien sein Reportagenbuch Italienische Reisen. Süditalien begeistert ihn seit seiner Kindheit.